Als die Gedichte vom Himmel fielen

Heute war einer jener Momente, an dem man erstaunt, fasziniert, baff, vertränt da steht, weil die Welt so schön ist. Weil es uns gibt. Weil es Literatur, Epik und – Gedichte gibt. Weil heute bei der Langen Nacht der Museen in Berlin ein Gedichterregen über die Stadt niederging. Zur blauen Stunde wurde der Regen eingeläutet. Es war dieser Moment zwischen Tag und Nacht, wenn die Welt eh uneins mit sich ist, ob sie nun lieber Licht oder Dunkelheit bevorzugen soll. Wo die Menschen inne halten vor dieser Zögerung und selbst in sich zerrissen sind. Hin- und hergerissen.

Genau zu dieser Stunde fielen Gedichte vom Himmel. Sie flogen über den Lustgarten wie Vögel, die losgelassen. Anfangs noch einen Schwarm, eine Einheit bilden, aber dann – zu einem gewissen Zeitpunkt – sich trennen. Jedes Gedicht seiner Wege geht, den Empfänger zu finden. Und was haben die Menschen nach ihnen gegriffen und gejagt. Nie habe ich solch ein Schauspiel gesehen. Zunächst der gespannte Moment des Wartens, bis sich die Tür des Hubschraubers hoch oben über Berlin öffnete und den Poetikschwarm entließ. Entließ in die Freiheit.

Und die Menschen, so wie ich, mit Tränen in den Augen da standen. Nach oben blickten. Zu den Gedichten, die durch die Luft wirbelten, flatterten, vor dem tagnachblauen Himmel silbern glitzerten. Hin und her. Sich nicht entscheiden konnte, zu wem und wohin sie sollten. Und die Menschen ihnen nachjagten. Wie ein kostbares Gut. Wie ein kostbares Gut. Das sie sind. Und selten als solches erachtet werden. Es war wunderschön. Nie. Nie habe ich solch einen Moment erlebt. Und ich danke euch allen dafür. Es war bezaubernd. Magie. Einer dieser Augenblicke, den ich nicht vergessen werde.

Die Menschen bückten sich nach den Gedanken anderer. Streckten sich. Schüttelten die Worte von den Bäumen. Liefen auf die Straße, den Reimen hinterher. Strahlten vor Glück. Lachten in die anbrechende Nacht hinein. Über so viel Glück. Über so viel Glück. Ihr hättet dabei sein sollen. Es war wunderbar.

Frau Paulchen hat sechs Gedichte erhascht, die sie nun lesen, hegen und pflegen wird. Weil sie ihr in die Arme geflogen sind. Weil sie sich danach gestreckt hat. Weil sie weiß, woher sie kamen und welche unglaublichen und noch nie gesehenen Gefühle ihr Regen in der Menschheit auslösen konnte. Ausgelösen hat. Weil sie sie sind, und Frau Paulchen Frau Paulchen ist. Und dafür und für alles hier: Danke. Es ist schön, solche Augenblicke zu erleben. In der die Welt eins wird, verbunden, einig, lachend, bangend, hoffend, strahlend. Als die Gedichte vom Himmel fielen.

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